Sonntag, 15. Februar 2015

Calcio Catania - FC Pro Vercelli

Calcio Catania - FC Pro Vercelli 4:0
23.1.2015 / Serie B 23.Spieltag / Angelo Massimino / 12 470 Zuschauer


Vom Hotel ging es also zügig zu Fuß über die Piazza del Duomo und die Via Etnea immer weiter- am Amphitheater vorbei zum Stadion. Der etwa 3,5 Kilometer lange Marsch ließ uns trotzt der 8 Grad Celsius ordentlich schwitzen. 

Als die Flutlichtmasten endlich in Sichtweite kamen, hatten wir immerhin noch gut zwanzig Minuten Zeit. Auf der Straße war bereits ordentlich was los. Neben dem üblichen Gewusel waren einige fleißige Mitarbeiter des Straßenbauamtes unter anderem mit einem Radlader beschäftigt zentimetergroße Hagelkörner vom Asphalt zu räumen. Am Rinnstein waren schon riesige Berge aufgetürmt. Schon vorher waren uns zahlreiche abgebrochene Äste und Palmenblätter auf den Gehwegen aufgefallen. Tatsächlich gab es kurz vor unserer Landung ein ordentliches Unwetter.

Sinnvollerweise werden auch bei Calcio Catania keine Eintrittskarten direkt an den Schaltern am Stadion verkauft. Der Grund ist für mich nicht nachvollziehbar. An der Piazza Vincenzo Spedini gibt es einen Tabakladen in dem Karten verkauft werden. 
Wir hatten allerdings bequem von zu Hause aus über das Internetportal Ticketone.it zwei Karten für die Tribuna B gebucht (jeweils 20 Euro). Diese konnten wir dann immerhin problemlos am Schalter gegen Vorlage der Personalausweise abholen.
Ausgestattet mit den Biglietti hatten wir zunächst etwas Schwierigkeiten den richtigen Eingang zu finden. Also fragten wir uns durch und mussten schlussendlich einmal halb um das Stadion rum. 





Unsere Personalien wurden kurz von einem Ordner mit dem Ausweis abgeglichen und dann ging es durchs Drehkreuz. Danach folgte die oberflächlichste und lächerlichste Kontrolle die ich seit langem erlebt habe. Ein älterer Ordner streifte einmal halbherzig mit der Hand am Jackenärmel entlang und das war`s auch schon. Hier ging es wohl mal wieder ums Prinzip. Auch im Stadioninnenraum war Polizei vertreten, diese waren aber vornehmlich in angeregte Gespräche vertieft, als an Sicherheitskontrollen interessiert.
Fünf Minuten vor Anpfiff nahmen wir irgendwelche Plätze im Oberrang der Gegengraden ein und konnten erstmal durchatmen.      

Gästeblock

Gut gefüllte Curva Nord






Immer mal wieder ein paar Fackeln...



Irriducibili (I.R.A 91) Curva Sud. Fahne am Wellenbrecher:
 "Zur Abwesenheit gezwungen"




Das Stadio Angelo Massimino ist eine schöne alte Schüssel mit Laufbahn, vier Flutlichtmasten, zweirangigen Tribünen, überdachter Haupttribüne und einem brutal eingezäunten Gästeblock. 
Die Curva Nord zu unserer rechten war ordentlich gefüllt und machte sich mehrfach in akzeptabler Lautstärke bemerkbar. Zum Intro gab es Schwenkfahnen, einen übel lauten Böller und hier und da mal eine Fackel. Die typisch italienischen Melodien gingen dabei wieder runter wie Öl.
In der Curva Sud gegenüber mühte sich ein kleinerer Haufen von gut 50 Ultras an durchgängigem Support. Auch hier gab es ein paar Fackeln und einen Doppelhalter mit der vielsagenden Aufschrift: "Gehasst und stolz". Ein kleines Lebenszeichen der 1991 gegründeten I.R.A. hing in Gestalt einer kleinen Fahne am Wellenbrecher. "Zur Abwesenheit gezwungen" war darauf zu lesen.
In eben dieser Kurve machte sich die große Repressionswelle nach den schweren Ausschreitungen beim Derbyheimspiel gegen Palermo im Februar 2007 deutlich bemerkbar. Viele der Gruppen dort allen voran die "Irriducibili" sind besonders hart von Auflagen und Verboten betroffen.







F.D.R Ultras im Oberrang der Curva Nord
Ein kurzer Blick auf die Geschehnisse nach dem Derby:

Bei den harten Auseinandersetzung zwischen Catania Ultras und der Polizei vor dem Stadion kam der Polizeiinspektor Filippo Raciti ums Leben. Der damals 17-jährige Antonio Speziale, Mitglied der Ultragruppe "Skizzati" (Curva Nord) wurde als Sündenbock in zwei Instanzen zu zunächst 14 Jahren Haft wegen Totschlag verurteilt. (Nach diversen Revisionen sind es 8 Jahre Haft) Ihm wurde vorgeworfen den Polizisten mit einer Waschbeckenummantelung aus Blech getroffen und tödlich verletzt zu haben. Raciti verblutete innerlich an einer gerissenen Lebervene und hatte außerdem mehrere gebrochene Rippen. 
Es gibt Videoaufnahmen welche zeigen, dass Speziale die Waschbeckenummantelung wirft, aber es ist nicht zu sehen, ob dadurch überhaupt jemand getroffen wurde. Die Abdeckung aus Blech lässt sich mühelos mit zwei Fingern anheben...Unwahrscheinlich, dass man sie so gezielt werfen könnte und jemand durch ein Stück Blech so schwere Verletzungen davon trägt. Dafür gibt es auch keinerlei Beweise. 
Racitis Kollegen konnten auch nicht bestätigen, dass dieser von irgendetwas getroffen wurde. Nach dem angegebenen Tatzeitpunkt setzte der Polizist noch über eine Stunde seinen Dienst bei den Ausschreitungen fort. Zweimal sagte ein Kollege Racitis vor Gericht aus, er habe beim Zurücksetzen eines Polizeijeeps in dichtem Qualm und mit abgeschlagenen Rückspiegeln inmitten des Riots einen Aufprall wahrgenommen und unzweifelhaft Raciti am Boden liegen sehen. Dies würde sowohl das Verletzungsmuster, als auch die blauen Lackspuren, welche man auf der Uniform sichergestellt hatte, erklären. Diese Aussage wurde im Prozess jedoch zurückgenommen.
Es ist wohl auch bezeichnend das die Polizeieinheit Racitis die anschließenden Ermittlungen selber durchführte. 
Der wissenschaftliche Dienst der Polizei ("RIS") hatte zwischenzeitlich per Gutachten ausgeschlossen, dass die Waschbeckenummantelung für die tödlichen Verletzungen Racitis verantwortlich sein könnte. Aber der mediale Druck im In- und Ausland forderte einen Sündenbock. Speziale wurde nur wenige Stunden nach der "Tat" verhaftet und der Öffentlichkeit als Täter präsentiert. Es bleiben also massive Zweifel an der Schuld Speziales und dem Ablauf der Prozesse. In vielen Stadien Europas gab es Spruchbänder und Aktionen unter dem Motto: "Speziale Libero" und "Speziale innocente".

Wer mehr darüber lesen will dem seien folgende Links ans Herz gelegt:

http://www.altravita.com/tv-bericht-zu-antonio-speziale.php
http://www.altravita.com/liberta-per-antonio-speziale.php
http://www.altravita.com/interview-mit-autor-und-verleger-des-buchs-der-fall-speziale.php
http://www.altravita.com/italienischer-fusballer-erhalt-stadionverbot-fur-ein-t-shirt.php





Eine Handvoll Gästefans


Blick von der Tribuna B 





Immer noch haben hier sehr viele Ultras Stadionverbot. Die Gruppe Irriducibili, welche eine enge Freundschaft mit den Desperados Dortmund pflegt, ist personell nicht mehr gut in der Curva vertreten.
Im Norden gibt es gleich mehrere Gruppen (F.D.R, Falange d`Assalto, Drunks...). Die meisten haben sich im unteren Bereich positioniert, aber auch im Oberrang gibt es Gruppen, die teilweise unabhängig voneinander supporten. Catanias Ultraszene gilt politisch eher als rechts und pflegt freundschaftliche Beziehungen zu Napoli, CFC Genoa, Trapani und wie bereits erwähnt Borussia Dortmund. Rivalitäten existieren zu Acireale, Palermo, Avellino, Atalanta, Hellas, Messina u.a. 
Erst im Oktober letzten Jahres wurden 10 Ultras der offiziell nicht mehr existierenden Gruppe Associazione Non Riconosciuta (ANR) wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zu Haftstrafen verurteilt. Nach Auffassung des Gerichts waren die Angeklagten seit dem Jahr 2000 an Übergriffen auf gegnerische Fans und Polizisten beteiligt. Die höchste Strafe wurde in erster Instanz mit vier Jahren und zwei Monaten festgesetzt.

Auf dem Rasen gab es vor knapp über 12 000 Zuschauern keine sportliche Glanzleistung zu sehen. Immerhin fiel nach nur fünf Minuten die Führung für die Gastgeber. Weitere zehn Minuten später gab es Strafstoß für Catania, welcher schwach geschossen zur zwei zu null Führung in die Maschen ging. Zur Halbzeitpause stand es dann bereits drei zu null und langsam wurde es unangenehm kalt im Stadion. 
Höchste Zeit mal beim Verpflegungsstand vorbeizuschauen. Die Auswahl war nicht groß und so gab es natürlich Caffè mit viel Zucker, Cola und Chips. 
In den zweiten 45 Minuten konnten weder in den Kurven noch auf dem malträtierten Rasen irgendwelche Ausrufezeichen gesetzt werden, sieht man mal von dem endgültigen Siegtreffer in der 58.Minute ab. Catania Calcio erzielte drei wichtige Punkte gegen die Abstiegsplätze der Serie B.

Aus dem weit im Norden Italiens in der Nähe von Turin (Piemont) gelegenen Vercelli waren sogar etwa 20 Fans angereist. Diese fielen hinter Netzen und Gittern im Stahlkäfig Gästeblock allerdings nicht weiter auf. 

Durchgefroren aber zufrieden Teil eins der Mission erfolgreich absolviert zu haben, machten wir uns dieses Mal im Schlendergang an den Rückweg in die Stadt. Auf der Suche nach einem anständigen Abendmahl landeten wir irgendwann am Bahnhof im schmierigen "Chicken Spot". Der bestellte Döner mit Fritten war leider kaum genießbar. Auf dem Weg zum Hotel verliefen wir uns etwas und lernten so noch die etwas unseriöseren Ecken des Bahnhofsviertels kennen.

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