Samstag, 21. Februar 2015

ACR Messina - Reggina Calcio

ACR Messina - Reggina Calcio 4:1
25.1.2015 / Lega Pro Girone C 22.Spieltag / San Filippo / 5550 Zuschauer


Das Derby dello Stretto, benannt nach der Meerstraße welche Sizilien vom Festland Italiens trennt, reizte mich, seitdem ich die Bildern und Videos von 1000 Messina Tifosi, welche mit der Fähre in Reggio Calabria einrückten und im Gästeblock einen fanatischen Support ablieferten, gesehen hatte. Das war im September 2014. 
Nun stand das Rückspiel in der Lega Pro an und es sollten wie beim Hinspiel Gästefans zugelassen werden. In Italien durchaus keine Selbstverständlichkeit bei solchen "Risikospielen". Am selben Tag fand in Acireale das Fünftligaspiel gegen Siracusa statt. Der Polizeipräfekt der Provinz Catania untersagte den Ultras und Fans von Siracusa die Teilnahme an diesem Auswärtsspiel, es wurden Ausschreitungen befürchtet. Bewohner der Region Syrakus wurden für den Ticketverkauf gesperrt. Beide Vereine haben eine aktive Ultraszene und die Partie gilt als Derby. 

Das letzte Aufeinandertreffen zwischen Messina und Reggina lag bereits über sieben Jahre zurück. In der Saison 2006/2007 begegnete man sich noch in der Serie A im San Filippo. 
Beide Fanszenen pflegen eine ausgeprägte Rivalität zueinander, was nicht zuletzt auch auf die kurze Distanz beider Städte zurückzuführen ist (Luftlinie nur wenige Kilometer). 

Am Spieltag sollte es wieder einmal keine Tickets am Stadion geben. Freitag und Samstag gab es einen Vorverkauf, welchen wir logischerweise nicht nutzen konnten. Die Kartenbeschaffung ließ sich auch vorher nicht übers Internet regeln wie noch zuvor bei Calcio Catania. Da ich bereits mit solchen Scherereien gerechnet hatte, druckte ich mir die Liste der möglichen Vorverkaufsstellen in der Stadt aus, ohne dabei herauszubekommen, ob diese Bars und Tabakläden überhaupt an einem Sonntag geöffnet haben.
Wie durch ein kleines Wunder hatte aber gleich unsere erste Anlaufstelle, ein Lotto- und Tabakladen an der Via Centonze 230, geöffnet und nicht nur das, man verstand unser Anliegen sofort und auch der Ticketdrucker funktionierte. Das Abtippen unserer Personalausweisdaten dauerte allerdings etwas länger und die Schlange ungeduldiger Messinesi, welche hektisch mit ihrem Lottoschein wedelten wurde zusehends länger. Uns war das aber völlig egal und eine Viertelstunde später waren wir stolze Besitzer zweier Biglietti Tribuna für jeweils 20 Euro.

Nach einer kurzen Stadtbesichtigung setzten wir uns auch gleich in die einzige Tramlinie und fuhren stadtauswärts. Die langsame Fahrt dauert ewig und kostet Nerven, ist aber die einzige Möglichkeit relativ problemlos zum gut 6 Kilometer vom Zentrum entfernten Stadio San Filippo zu gelangen. Man fährt einfach bis zur Endhaltestelle, an welcher auch die alte Spielstätte des ACR Messina, das Stadio Giovanni Celeste liegt. Von außen machte diese Bruchbude inmitten heruntergekommener Häuserzeilen einen richtig sympathischen Eindruck. Leider spielt hier seit 2004 nur noch der eher unbedeutende Verein SSD Città di Messina.
  
Bis zum San Filippo sind es von dort noch kernige 3 Kilometer Fußweg, welche uns abermals ordentlich den Schweiß auf die Stirn trieben. Das Stadion liegt neben einer Schnellstraße auf einer Anhöhe. Endlich am Ziel gab es wieder die übliche Konfusion bezüglich des richtigen Einganges. Der Andrang war erfreulich groß. Endlich am richtigen Gate versagte mir das Drehkreuz den Zugang. Wahrscheinlich ein kleiner Druckfehler des Barcodes. Nach kurzer Diskussion kam ich aber auch ich ohne Probleme auf die Tribüne. Andernfalls hätte ich wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Das Stadio San Filippo wurde 2004 eröffnet und ist ein wirklich beeindruckendes Bauwerk, aber ein paar Nummern zu groß. Grundsätzlich gehen da nämlich 40 000 Zuschauer (alles Sitzplätze) rein. Die Erstligazeiten sind lange vorbei und nach dem Aufstieg in die dritthöchste Spielklasse kommen zu Heimspielen gegen eher unattraktive Gegner noch 1500 - 2000 Zuschauer im Schnitt.
Heute zum heiß herbeigesehnten Derby kamen immerhin 5500 Zuschauer darunter etwa 1000 aus Kalabrien. Die komplette Tribüne uns gegenüber war gesperrt ebenso die eine Hintertorseite. Die Südtribüne war nahezu komplett gefüllt, lediglich im oberen Drittel blieb noch etwas Platz. 
Unten an der Plexiglaswand hingen größere Fahnen der Gruppen "Teste Fracidi", "Gioventu", "Fedelissimi", "Uragano Cep 1982" sowie einem kleinen Fetzen der befreundeten Tifosi aus Frosinone. Weitere Gruppen der Curva Sud sind "Lions", "NOCS" und "Vecchia Maniera". Die älteste dieser Gruppen die "Fedelissimi" gibt es seit 1973.
Neben Frosinone werden weitere Freundschaften zu Pescara, Modena und Cavese gepflegt. Feindschaften gibt es zu Catania, Reggina, Salernitana, Palermo und Catanzaro.    








Schon vor dem Anpfiff wurde der Gästeblock aktiv und begann einen melodischen Support untermalt von Fahnen, Doppelhaltern und Schals. Natürlich durften auch ein paar laute Knaller nicht fehlen. Zum Einlaufen der Mannschaften gab es auf Heimseite ein heftiges Pyrospektakel aus Bengalen, Blinkern, Böllern und in der Hauptsache roten und gelben Rauchdosen. Während sich die Nebelschwaden langsam verzogen, setzten die Gesänge ein. Dabei wurde es zwischenzeitlich extrem laut, denn es gelang den mittig stehenden Ultragruppen immer wieder fast die gesamte Tribüne mitzureißen. Dazu wurden durchgehend verschiedene Fahnen und Doppelhalter zum Einsatz gebracht. 
Aber auch der Reggina-Mob war die gesamte Spielzeit über aktiv und teilweise akustisch sehr gut zu vernehmen. 


"Auf staubigen Spielfeldern und in verwaisten Stadien- haben wir unsere
Farben nie aufgegeben!"










Der Führungstreffer fiel kurz vor der Halbzeitpause und hatte in der Curva Sud ein zweites kleines Inferno zur Folge. Aber auch auf der Tribüne gingen die Leute richtig aus sich raus. Oben auf dem Hügel über der gegenüberliegenden Tribüne wurde auch gezündet und ein lauter Böller detonierte im Unterholz. Ich nehme mal an das von dort oben eine Gruppe Stadionverbotler das  Spiel verfolgten.  

In der Pause gab es die übliche kulinarische Tristesse, wie auch schon in Catania. 

Zum Wiederanpfiff ließ die Heimkurve ein paar Wurfrollen fliegen, aber der Organisationsgrad war nicht so ausgeprägt wie hierzulande und jeder warf die Rolle wann er Lust dazu hatte. Das Gesamtbild viel dementsprechend äußerst dünn aus.

Drei Minuten später landete das Leder zum zwei zu null in den Maschen. Wieder folgte ein ausgelassener Torjubel und die Süd legte noch mal eine Schippe drauf. Aber auch der Gästepöbel wurde jetzt nicht leiser, sondern drehte sogar noch etwas auf. Das änderte sich auch nach dem drei und dem vier-zu-null nicht. 










"12.9.14 Eine stumme impotente Kurve unterschrieb an dem
Tag ihr bitteres Ende"
Die Messinesi waren nun richtig gut am durchdrehen, da fiel der späte Ehrentreffer für Reggina gar nicht weiter auf. Der wichtige Sieg im Derby wurde noch lange gefeiert. Zwei ACR-Spieler entsorgten ihre verschwitzten Trikots und Hosen auf die Tribüne und während der Polizeihubschrauber wieder seine Kreise flog, verabschiedeten wir uns langsam Richtung Ausgang. 

Der Gästeanhang hatte noch eine Blocksperre, bevor es für sie in die Shuttlebusse zum Hafen ging. Für uns hieß es wieder einen ordentlichen Stiefel laufen. Diese Mal bergab zwischen einigen Blocks Marke sozialer Wohnungsbau und dunklen Gassen hindurch. Aber auch auf der Hauptstraße wird der Häuserzustand nicht wirklich besser. Auf einer Seite zur Küste hin stehen einfachste Hütten, teilweise mit Wellblech geflickt und mit vernagelten Fenstern. Dazwischen konnten wir immer wieder einen Blick aufs Meer erhaschen. 

Irgendwann erreichten wir die Tramhaltestelle und fuhren zurück zum Bahnhof. Das dauerte alles wieder so lange, dass wir wieder sprinten mussten, um in buchstäblich letzter Sekunde diese unsympathische Stadt mit dem Regionalzug nach Catania zu verlassen. 




Der Fußball gehört den Menschen- Für ein Derby der
Emotionen ohne Repressionen











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